Die WARUM - Frage

 Die Frage nach dem Grund und der Ursache allen Geschehens beschäftigt alle Kinder im Kindergartenalter irgendwann. Man sagt dazu auch TROTZALTER. Die Kinder werden bockig und brauchen jetzt klare Regeln, deutliche Grenzen, konsequente Bestrafung aller Grenzüberschreitungen.

Das habe ich auch geglaubt. Bei Axel, der sich sprachlich nicht ausdrücken konnte und auch nur wenige Gebärden zur Sprachergänzung zur Verfügung hatte, wollte diese von allen gepriesene Erziehungsmethode einfach nicht klappen. Das Kind war und blieb stur und bockig. Bis ich auf die Idee kam, dass er im WARUM-Alter sein könnte.

An folgende Schlüsselsituationen kann ich mich noch sehr deutlich erinnern:

  • Axel saß in der Küche vor dem Radio und hörte Kindermusik. Ich sagte: Komm her, setz dich an den Tisch. Wir wollen Frühstücken! Axel blieb sitzen. Ich wiederholte die Aufforderung noch zweimal, denn bekanntlich brauchen Kinder mit Down-Syndrom oft länger, um eine Aufforderung zu erfassen. Er reagierte aber immer noch nicht. Dann sagte ich: WEIL wir jetzt frühstücken wollen, sollst du dich zu uns an den Tisch setzen. Da stand Axel auf und setzte sich zu uns.
  • Axel war versehentlich in einen Eimer Wasser getreten und die Strumpfhose war nass. Er kam zu mir und setzte sich vor mich auf die Terrasse. Wir hatten Besuch. Ich sagte: Steh auf, du musst deine Strumpfhose ausziehen. Aber Axel stand nicht auf. Auch jetzt wiederholte ich nach einer kurzen Pause die Aufforderung. Dann sagte ich: WEIL deine Strumpfhose nass ist, musst du jetzt aufstehen und sie ausziehen. Da stand Axel auf und zog die Hose runter. Meiner Bekannten fiel auch auf, dass Axel auf das WEIL spontan und korrekt reagiert hatte, während er vorher bockig und trotzig jede Unterstützung verweigert hatte.
  • In beiden Fällen hätte es mich viel Kraft gekostet, meine Aufforderung durchzusetzen, wie ich das bisher immer ziemlich ruppig gemacht hatte. Es muss schon sehr unangenehm für Axel gewesen sein, wenn ich so heftig mit ihm um ging. Trotzdem machte er sich in solchen Fällen total steif mit verschränkten Beinen und es ist nicht einfach, verknotete Beine auseinander zu knoten.

    Seit ich Axels TROTZ als WARUM-Frage interpretierte, hatte ich mit ihm keine Probleme mehr. Er war gefügig wie ein kleines Lämmchen, bis zum nächsten Entwicklungsschub.

    Manchmal frage ich mich, wie Axel sich wohl weiter entwickelt hätte, wenn ich seinen Trotz nicht als WARUM-Frage interpretiert und mit WEIL beantwortet hätte. Hätte er dann genauso gelernt, WARUM-Fragen zu verstehen und später auch selbständig zu beantworten? Hätte ich ihm jemals überhaupt zugetraut, dass er WARUM-Fragen verstehen und beantworten kann bei mangelnder Sprachfähigkeit? Lehrer aus Schulen für praktisch bildbare Kinder sprechen diesen oft ein Verständnis für Ursache-Wirkung-Zusammenhänge ab....

    (Sabine Häusler)

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