Mit einem Keil behinderten Menschen helfen Hier der Original-Artikel aus den Mitteilungen, Arbeitskreis Down-Syndrom e.V. Nummer 50 (2/2005)

Bad Nauheim (em) Lebenslanges Lernen - das gilt auch für Eltern und ganz besonders dann, wenn sie behinderte Kinder haben, die zu ihrer Entwicklung individuelle Förderanreize brauchen. So versteht sich die Elterngruppe Down-Syndrom innerhalb der Lebenshilfe Wetterau e.V. als Solidargemeinschaft wie auch als Ort des Informationsaustausches, des gemeinsamen Suchens nach Angeboten, die mitten im Familienalltag dem Kind Entwicklungsimpulse geben.

Diesmal hatte Sabine Häusler, eine Mutter dieses Kreises, ein Treffen in der Bad Nauheimer Ergotherapiepraxis von Gabrielle Leske und Katja Badtke organisiert. Thema waren die Lagerungsanwendung aus dem NEPA-Konzept. Das Kürzel NEPA steht für Neuro-Entwicklungsphysiologischer Aufbau und beinhaltet ein ganzheitliches Frühförderkonzept. Entwickelt wurde es von der Dipl.-Logopädin und Bobath-Therapeutin Traudel Pörnbacher zur Förderung von Kindern, deren sensomotorische Entwicklung durch eine Behinderung beeinträchtigt ist. Es handelt sich um ein Förderkonzept, was aus der Arbeit mit behinderten Kindern heraus entstanden ist. Sabine Häusler konnte bei ihrer Begrüßung auf eigene gute Erfahrungen mit dem Pörnbacher-Konzept hinweisen, die sie bei ihrem Sohn gemacht hatte und sprach davon, welche Defizite ihr Sohn heute weniger haben könnte, wenn es zu seiner Kleinkindzeit bereits dieses Therapieangebot in der Wetterau gegeben hätte.

Pörnbacher Keil Die Ergotherapeutin Gabrielle Leske (ausgebildete NEPA- Therapeutin) schilderte die Theorie und Praxis zur Lagerungsanwendung. Diese besteht zum einen aus der Bauchlagerung auf einem Keil mit spezifischer Schräge und den leicht erhöhten Ellenbogenauflagen. Zusätzlich wird eine Abduktionsschienung zur Oberschenkelführung auf den Keil aufgelegt. Der Keil fungiert als Reizgeber für die Streckentwicklung. Er aktiviert die Kopfanhebung und Brustkorbabhebung. Er fördert die Stemm- und Stützmotorik in der Symmetrie innerhalb der 1. Streckentwicklung. Die Kinder werden durch die Lagerung in einer idealen Startposition für alle Streck- Stemm- Anheft- und Stützaktivitäten gehalten. Sie können eigenaktiv reagieren oder sich auch mal ausruhen. Sie werden nicht von außen manipuliert. Dem entsprach der Erfahrungsbericht einer Mutter. "Mein Sohn liegt drei bis viermal pro Tag 30 Minuten auf dem Keil, er kann sich wirklich beschäftigen und beobachten, was ich tue". Die Beschäftigung mit dem Kind erfolgt über entwicklungsadäquate sinnesfördernde Spielangebote. Die Lagerung schafft gute Voraussetzungen für die Sinnesentwicklung. Die Mund- Schluck- und Sprechmotorik wird frei für Betätigung.

Idealerweise sollte mit der Lagerung bei behinderten Kindern ab der 7. Lebenswoche begonnen werden. Aber auch ältere schwer behinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene können noch gelagert werden unter dem Aspekt der Lebenserleichterung.

Pörnbacher Stuhl Als zweite Lagerungsmöglichkeit gibt es die Rotationslagerung. Sie findet Anwendung nach der 1. Streckentwicklung bei Fortbestehen einer sensomotorischen Beeinträchtigung. Sie aktiviert alle rotatorischen Bewegungsanteile und die Oberkörperaufrichtung. Sie besteht aus einer großen Lagerungsplatte und einem höhenverstellbaren Tisch. Gelagert wird in Hockstellung auf der Ecke der Lagerungsplatte in weiter Abduktion und vollständiger Auflage der Oberschenkel. Der Oberkörper wird vorgelagert mit einer Rotation in der Körperlängsachse. Die Arme lagern in Schulterhöhe auf dem Tisch, der im rechten Winkel zum vorderen Bein steht. Die Füße hängen frei ohne Belastung. Während des Spielens auf der Lagerung reguliert das Kind sein Beckengleichgewicht. Greiffunktion und Fußbewegung werden durch Aktivierung der diagonalen Muskelketten mit eingebunden.

Eine lebhafte Diskussion folgte den Ausführungen Gabrielle Leskes. Viele Eltern sehen in diesem Konzept durchaus eine Chance für ihr Kind. Aber mit dem Wunsch nach Erprobung beginnt das nächste Problem: nur wenige gesetzliche Krankenkassen bezahlen die Hilfsmittel, die individuell angemessen werden müssen und entsprechend teuer sind. Weiter wurde an die diesjährige Fachtagung "Perspektiven für Menschen mit Down-Syndrom" vom 7. bis 9.10.2005 in Augsburg erinnert. Etliche Eltern der Elterngruppe Down-Syndrom der Lebenshilfe werden hinfahren, evtl. mit gemeinsamen Fahrgelegenheiten und gemeinsamer Hotelunterkunft.

Elli Maresch, Heilpädagogin / Gabrielle Leske, Ergotherapeutin