Am 06. 12. 2011 waren mein Sohn Moritz (18 Jahre, DS) und ich( Erich Scheurmann, Vater von Moritz) wieder einmal bei der Hebammenschule in Giessen zu zwei Unterrichtsstunden zum Thema Down-Syndrom eingeladen.
Zur Einstimmung wurde Moritz' YouTube-Film (Moritz singt Phil Collins) vorgeführt und anschließend von den 22 Schülerinnen im zweiten Ausbildungsjahr über seine Hobbies und Vorlieben befragt. Moritz stellte sich stolz vor: Ich bin ein Mann mit Down-Syndrom. Er vergaß auch nicht zu erwähnen, dass er gerade vor einer Woche 18 geworden war. Darauf wurde er noch nachträglich mit einem Geburtstagslied von den Schülerinnen belohnt.
Eingedenk der Erfahrungen, die ich auf dem letzten Down-Syndrom-Kongress in Köln in einem Seminar über Pränataldiagnostik gemacht hatte, konzentrierte ich mich diesmal in meinem Referat ganz auf die Frage: Welche stützende , tragende Rolle kann die Hebamme in diesen sensiblen manchmal traumatisch erlebten Augenblicken, da ein Kind mit Down-Syndrom geboren wird, übernehmen. Viele Frauen berichten über sehr negative Erfahrungen, mit gefühllosen Ärzten, hilflosen Schwestern, verwirrten Hebammen.
Die Hebammenschülerinnen in diesem Kurs hatten schon an bis zu 30 Geburten teilgenommen und zwei sogar an Geburten von Kindern mit DS. Alle nahmen sehr intensiv an der Disakussion zum Thema teil. Sie hatten sich wohl auch schon vorher damit befasst. Um sich jedoch noch konkreter mit dem Thema zu befassen, ließ ich sie Dreier- und Vierergruppen bilden mit dem Auftrag, findet heraus: Was könnte ich sagen? Was könnte ich tun? Was sollte ich besser lassen ? Wir waren uns zum Schluss einig, dass es keine Patentlösung für ein richtiges Verhalten gibt, da jede Situation anders ist. Und vor allem muss die junge Hebamme selbst ihre Einstellung zu Behinderung genau kennen. Wie würde sie als werdende Mutter fühlen. Und selbst, wenn man sich mal ungeschickt verhält, sollte man sich selbst den Fehler eingestehen und versuchen ,es wieder gut zu machen.
Ich selbst musste mir in dieser Diskussion natürlich immer wieder bewusst machen, dass ich als Mann nie ganz die Nähe zu diesem Thema haben kann, wie eben eine Frau, die vielleicht schon geboren hat oder vielleicht bald selbst schwanger ist. Als Konsequenz haben wir uns mit der Leiterin der Schule überlegt, dass nächstes Mal auch meine Frau mit kommt zum Unterricht.
Abschließend sprachen wir noch über Pränataldiagnostik. Den Schülerinnen war nicht bekannt, dass es (wie in mehreren wissenschaftlichen Studien festgestellt) bei einem positiven Befund von DS in mehr als 90% der Fälle zu einem Abbruch kommt. Auch über den neuen Bluttest war noch nichts bekannt. Es wird immer weniger Menschen mit Down-Syndrom geben. Das halte ich für einen Verlust für uns alle! Das war mein abschließendes Bekenntnis.
Moritz verteilte zum Abschluss noch das von uns mitgebrachte umfangreiche Infomaterial.
Erich Scheurmann --- Anfragen unter: erich.scheurmann@gmx.de