Meine Eindrücke von der Werkstätten-Messe 2010 in Nürnberg

Die Messe bot mit ca. 250 Ausstellerständen und ca. 100 angesetzten Fachvorträgen eine geballte Ladung an Information rund um das Thema Werkstätten, Ausbildung, Beschäftigung integrativ und rechtl., politische u. fachl. Infos durch die Fachvorträge.
Ich konnte in der gegebenen Zeit leider nur eine Auswahl davon aufnehmen und besichtigen.
Unerwartet viele Produkte, die in Werkstätten hergestellt werden, durften bestaunt und natürlich auch gekauft oder bestellt werden. Die Auswahl war riesig groß und reichte von vielerlei bunten Holzspielsachen, über Holzmöbel, Holz-Home- Asseccoirs, Metall-Asseccoires, Metall-Zeltgestelle, Porzellan, Keramik (auch bemalt), Duftseifen, Duftkerzen, Öle, Gewürz-Essigsorten, Wein-Herstellung, Wurstherstellung, Teppich-Webarbeiten, Stoffarbeiten u. vieles mehr.
Die Ideen dazu haben nach einigen Nachfragen von mir durchweg keine extra dafür eingestellten Vertriebsmitarbeiter oder Designer sondern schlicht u. einfach Gruppenleiter in den Werkstätten. Auch darf man nicht dem Irrtum verfallen (wie ich zunächst), dass in diesen Werkstätten keinerlei industrielle Montagearbeiten mehr geleistet werden. Dies ist sehr oft trotzdem und im überwiegenden Maß sogar der Fall. Die Wirtschaftlichkeit zwingt nach wie vor die Werkstätten, diese Arbeiten in ihr Beschäftigungsprogramm mit aufzunehmen. Die Vermarktung der neuen handwerklichen Arbeiten ist Voraussetzung für die Ausweitung dieses Bereiches und so war die Messe auch in erster Linie von den Ausstellern als Absatz- u. Werbemöglichkeit gedacht. Meine Fragen nach den internen Abläufen und Bedingungen für die behinderten Mitarbeiter waren eher Randerscheinungen. Besonders schöne innovative Produkte zeigte FAIRWERK, ein Projekt der Inntal Werkstätten, siehe www.fairwerk.de. Dies wurde auf der Messe dann auch mit dem Innovationspreis 2010 belohnt.

Weitere schöne Produkte werden angeboten von:

Eckernförder Werkstatt Seifenprod. www.eck-store.de
Nd.Ramstädter Diakonie Holzprod.Ideen www.nrd-online.de
Caritas Wendelstein Design-Prod. www.sidebyside-design.de
Caritas Nordkirchen Porzellan www.wfbm-nordkirchen.de
Barmherz.BrüderGremsd. div.Arb. www.barmherzige-gremsdorf.de
Lebenshilfe Trier Hofgut www.hofgut-serrig.de
Lebenshilfe Schmerlenb. Wein WfbM Großheubach
Kreuznacher Diakonie Holzarbeiten ?
Beh.Werk MainKinzigKreis Industrie,Holz, Bauernhof www.bwmk.de
Praunheimer Werkstätt. Industrie,Holz ?
Auhof-Werkstätten Holz-Spiele www.auhof-werkstaetten.de
Daneben stellten sich auch eine Vielzahl von anthroposophischen Werkstätten vor, die schon immer Vorreiterrolle in der Vermittlung von handwerklichen Fähigkeiten in der Behinderten- Förderung übernahmen.
Ein weiteres Angebot fand man im "Grünen Bereich" mit den Vielfältigen Teilhabemöglichkeiten, die sich für Menschen mit Behinderung im Garten- und Landschaftsbau, aber auch in der Landwirtschaft bieten. Besonders der Ö–kolandbau mit seiner gering mechanisierten Arbeitsweise eignet sich, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen und ihnen eine Perspektive zu bieten.
Die beteiligten grünen Werkstätten (hier 11 an der Zahl) wurden koordiniert von Bio mit Gesicht GmbH, Ffm., FIBL Deutschland e.V., Ffm. Und BAG WfbM, Ffm. Infos über z.B. www.fibl.org
Für mich besonders herausragend im Bereich der Förderung und Ausbildung der Behinderten war
  • Franziskuswerk Schönbrunn Edith Stein Förderstätte mit indiv. Förderleistungen Angeschlossene Wohngemeinschaften www.schoenbrunn.de
  • Gemeinnützige Werkstätten und Wohnstätten GmbH GWW mit Zentralem Fortbildungsreferat www.gww-netz.de
  • Auch die Reisebranche war gut vertreten. Hier bietet z.B. der Verbund der Embrace Hotels Arbeitsplätze f. Behinderte an. Es handelt sich um eine Kooperation integrativer Hotelbetriebe. Die Praxis sieht so aus, dass Behinderte je nach ihren Fähigkeiten im gesamten Hotelbetrieb eingesetzt werden. Sie haben auch die Möglichkeit, die Hotels zu wechseln, also können in verschiedenen Städten abwechselnd tätig werden. Gewohnt wird nicht unbedingt in den Hotels selbst, sondern man besorgt Zimmer in umliegenden Wohnheimen, in betreuten WG's oder mietet ein Appartment an.
    Infos: www.embrace-hotels.de
    Ein Haus dieser Gruppe ist z.B. FIT siehe www.hotel-fit.de. Hier werden z.Zt. 9 Behinderte beschäftigt. Man hat sehr gute Erfahrungen gemacht. Auch hier stellte sich heraus, dass das Wohnen in ähnlicher Form wie bei embrace organisiert wird.
    Für Computer-Interessierte bin ich auf "GENESIS" - ein Lern-,Therapie und Spielesytem für barrierefreies Spielen ohne Grenzen aufmerksam geworden. Es wurde entwickelt von Prof.Herold, Prof. Hörmann u.a. in Zusammenarbeit mit der G-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg. Unter www.world-of-genesis.org sind angebl. 8 Spiele kostenlos zu erhalten.

    Mitgebracht habe ich - gerne zum Ausleihen bei mir :

    CD-ROM Soziale Sicherung im Überblick
    CD-ROM Bericht zur Lage der Behinderten 2009
    CD-ROM Initiative Job - Jobs ohne Barrieren
    CD-ROM UN-Konvention in Gebärdensprache
    Ein Vortrag, gehalten von K.Leonhardt, Geschäftsführer der FSE Lankwitzer Werkstätten zur Situation der Werkstatt zwischen Vergangenheit und Zukunft enthielt einige wichtige Anmerkungen, die auch mich sehr nachdenklich machten. So z.B. sind neue Maßnahmen, wie die unterstützte Beschäftigung implantiert. Behinderte sollen, wenn sie können, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt übergeleitet werden. Aber will der allgemeine Arbeitsmarkt diese Menschen denn? Der kleine aber feine Unterschied zwischen einem vermittlungsfähigen u. einem vermittelbaren Menschen beschreibt das Konfliktfeld. Will dieser Arbeitsmarkt diese Menschen includieren?
    Menschen mit Behinderung benötigen, wie jeder andere Mensch auch ein soziales, stabiles Umfeld, um sich wohl zu fühlen und Leistung zu erbringen. Arbeit ist und bleibt eben mehr als Geldverdienst. Das Gespräch mit den Kollegen, der Sozialarbeiter der bei Problemen hilft, die Sicherheit den Platz zu behalten, die auch Sicherheit gewährende Gewohnheitsbildung, all das sind auch Faktoren von Werkstatt und persönlicher Stabilität.
    Werkstätten sind die letzten Solidargemeinschaften des Arbeitsmarktes. Sie bieten Integration für die Schwächeren. Ist ein Mensch mit Behinderung dann mehr integriert, wenn er zu minimalen Löhnen und vielleicht vereinsamt in einem Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig ist oder als arbeitslos behinderter Mensch ALG 2 bezieht?
    Dies sind berechtigte wichtige Fragen.
    Meine Schlussfolgerung nach dem Besuch dieser Messe ist:
    Es gibt wirklich sehr gute Werkstätten mit guten Produkten, guten Förderungen der Behinderten, gute Ideen und Beschäftigungsmöglichkeiten- auch im grünen Bereich.
    Der Wetteraukreis hat hier einen riesigen Nachholbedarf !!!!!
    Der Ansatz zur Veränderung muß unbedingt auch in der regionalen Verbesserung dieses Angebotes erfolgen.
    Anne Hilss